Ein dynamisches HealthTech-Umfeld auf der Grundlage wissenschaftlicher Exzellenz
Frankreich verfügt bereits über ein dichtes und dynamisches Netz von Neugründungen im Gesundheitswesen. In der Tat lässt sich eine signifikante Anzahl von mehr als 60 jährlich in Frankreich gegründeten Biotech-Unternehmen verzeichnen. Im Jahr 2017 prognostizierte France Biotech, dass der HealthTech-Sektor in Frankreich bis 2030 einen weltweiten Umsatz von über 40 Milliarden Euro generieren könnte.
Diese Entwicklung basiert in erster Linie auf Vorreiterinitiativen wie der French Tech 120, welche 120 Start-ups unterstützt und finanziert, von denen die meisten im Gesundheitssektor angesiedelt sind. Im Jahr 2021 waren 22 Vertreter aus dem HealthTech-Sektor darunter. Ein weiterer wichtiger Akteur ist die Station F im Zentrum von Paris. Sie ist einer der größten Start-up-Campus der Welt und beherbergt derzeit mehr als 1.000 unternehmerische Projekte.
Das Unternehmen TISSIUM, das zum zweiten Mal in Folge als „French Tech 120“-Unternehmen nominiert wurde und eine Plattform für biomorphe und programmierbare chirurgische Polymere entwickelt, wird von verschiedenen öffentlichen Diensten und staatlichen Einrichtungen unterstützt. Die im November 2019 aufgenommene Serie-B-Finanzierung in Höhe von 38,75 Mio. EUR wird zur Unterstützung der globalen Expansion des Unternehmens verwendet.
Des Weiteren sind diese Start-ups und Biotech-Unternehmen in unmittelbarer Nähe zu hochrangigen akademischen Zentren angesiedelt. In der Tat lässt sich feststellen, dass 52 % der HealthTech-Unternehmen das Ergebnis öffentlicher oder akademischer Forschung sind. So lässt sich feststellen, dass 78 % der Unternehmer Ärzte, Forscher oder Wissenschaftler sind. Ein Beispiel hierfür ist das Start-up-Unternehmen Eligo Bioscience, welches Phagen zur „Umprogrammierung” des Mikrobioms entwickelt. Das Unternehmen wurde auf Basis wissenschaftlicher Forschung am Massachusetts Institute of Technology (MIT) gegründet und anschließend am Institut Pasteur weiterentwickelt. Dieses Start-up, das gegenwärtig im Innovationscluster Paris Biotech Santé im Cochin-Krankenhaus angesiedelt ist, veranschaulicht die enge Verflechtung zwischen Unternehmertum und wissenschaftlichem Know-how.
Dieses florierende Ökosystem profitiert zudem von großen internationalen Veranstaltungen zur Förderung des französischen Sektors und privater Investitionen, wie dem VivaTech-Forum oder den HealthTech Innovation Days. Im Jahr 2019 nahmen 88 französische HealthTech-Unternehmen, 42 internationale Investmentfonds und 12 Pharmaunternehmen an diesen Veranstaltungen teil.
Frankreich nimmt eine Vorreiterrolle in Sachen Digitalisierung und KI im Gesundheitswesen ein
Seit einigen Jahren zeigt das Land ein starkes Engagement im Bereich der künstlichen Intelligenz, wobei der Gesundheitssektor eine seiner Prioritäten darstellt. Im Rahmen des Programms „KI für die Menschheit”, welches die nationale Strategie für künstliche Intelligenz überarbeiten soll, wurden im Jahr 2019 vier interdisziplinäre Institute, die auf KI spezialisiert sind, mit dem Label „3IA” ausgezeichnet. Die Förderung erfolgt mit einem Gesamtvolumen von 100 Mio. € über einen Zeitraum von vier Jahren und unterstreicht damit das aktuelle politische Engagement, erhebliche Mittel für die Förderung bereitzustellen. Es ist zu erwarten, dass Projekte, die neue, auf KI basierende Patientendienste entwickeln, in naher Zukunft initiiert werden.
Die Finanzierung in Höhe von 10 Milliarden Euro ermöglicht es, dass Innovation und Industrie eine große Herausforderung mittels Projektaufrufen angehen können. Dabei stellt sich die Frage, wie die medizinische Diagnostik durch künstliche Intelligenz verbessert werden kann.
In Kooperation mit dem Health Data Hub wurde Ende 2019 ein Aufruf zur Einreichung von Projekten initiiert, der sich auf die Sammlung von Gesundheitsdaten sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung stützt.
In diesem Kontext ist zu beobachten, dass eine Vielzahl von Start-ups insbesondere im Bereich der elektronischen Gesundheitsdienste (Anwendungen, Websites, Software, Chatbots usw.) sowie der künstlichen Intelligenz und der Gesundheitsdaten gedeiht. Einige dieser Start-ups zielen darauf ab, die Forschung zu beschleunigen. Ein Beispiel hierfür ist Aqemia, ein Spin-off der ENS (Nationale Hochschule für Wissenschaft und Forschung) und des CNRS (Nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung), welches eine KI-Plattform zur Entdeckung neuer therapeutischer Moleküle entwickelt. Andere wiederum bieten digitale Lösungen zur Verbesserung der Patientenversorgung an, wie beispielsweise Medadom für die Telekonsultation und Hoppen, um den Alltag des Krankenhauspersonals mit vernetzten Zimmern zu digitalisieren, oder die ambulante Pflege, um das Management der Patientenströme in Echtzeit zu optimieren.
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Bereits positionierte industrielle Akteure
Offene Innovationsinitiativen erleben derzeit einen Aufschwung, um Beziehungen zwischen Pharmaunternehmen, die in diesem dynamischen Ökosystem bereits gut etabliert sind, und Start-ups zu entwickeln. Dies erfolgt über Aufrufe zur Einreichung von Projekten, Hackathons, Konferenzen, Stiftungen und Partnerschaften. Mit einem noch stärkeren Engagement werden umfassende Förderprogramme für die Entwicklung dieser Start-ups bereitgestellt.
Ein Beispiel hierfür ist der „Plan PME et Start-up”, der von der französischen Tochtergesellschaft von Sanofi unterstützt und von der globalen Personalabteilung verwaltet wird. Dieser Plan fördert die geschäftliche und internationale Entwicklung französischer Start-ups. Letztere sind aktuelle oder potenzielle Zulieferer des Unternehmens. Andere Initiativen zielen darauf ab, die Entwicklung digitaler Gesundheitslösungen zu beschleunigen. Exemplarisch sei hier das Programm „AI Factory for Health” genannt, welches von den französischen Tochtergesellschaften von Microsoft und Astra Zeneca ins Leben gerufen wurde. Das Programm fokussiert sich auf Start-ups, die sich auf KI im Gesundheitswesen spezialisiert haben, und bietet ihnen eine dreimonatige Schulung, um Fachwissen in der Gesundheitsbranche zu erwerben. Gleichzeitig ermöglicht es dem Unternehmen, Start-ups mit hohem Potenzial für mögliche zukünftige Partnerschaften oder Investitionen zu identifizieren.
In der Konsequenz nehmen die französischen Tochtergesellschaften von Pharmaunternehmen zunehmend an der Unterstützung der Aktivitäten ihrer internationalen Zentralen teil, um neue Chancen im Bereich innovativer Therapien zu nutzen. Auf diese Weise können sie ihre Nähe zu diesem dynamischen Ökosystem von Start-ups nutzen, um Aktivitäten zur Geschäftsentwicklung durchzuführen.
Die Attraktivität Frankreichs in Bezug auf Start-ups im Gesundheitswesen stellt für Akteure des Gesundheitswesens eine echte Chance dar, birgt jedoch auch das Risiko eines wettbewerbsintensiven Umfelds, in dem immer mehr Pharmaunternehmen mit diesen potenziell disruptiven Start-ups zusammenarbeiten. Innovationen im Gesundheitswesen entwickeln sich in einem fruchtbaren Ökosystem, weshalb es für Akteure im Gesundheitswesen unerlässlich ist, eine differenzierte Strategie zu entwickeln, um diese zu fördern und die sich bietenden Chancen zu nutzen.
Über die Autoren,
Lambert, Senior Project Manager und Tak-Wai, Consultant in Alcimeds Healthcare Team in Frankreich