Healthcare

3 Herausforderungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Medizintechnik und zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks des Gesundheitssektors

Veröffentlicht am 13 November 2023 Lesen 25 min

In Frankreich beträgt der CO2-Fußabdruck des Gesundheitssektors jährlich 47 Millionen Tonnen CO2, wobei 54 % dieser Emissionen auf Arzneimittel und Medizinprodukte entfallen [1]. Eine der gegenwärtigen Herausforderungen im Gesundheitssektor besteht in der Reduktion dieser signifikanten Emissionen. Der SNITEM (Syndicat national de l’industrie des technologies médicales, „nationaler Verband der Medizintechnikindustrie“) hat sich dieser Thematik angenommen und am 8. Juni 2023 das Symposium „CSR im Gesundheitswesen“ auf der Paris Expo Porte de Versailles in Paris organisiert. Die Veranstaltung diente der Präsentation von Vorzeigeinitiativen, Beispielen für Partnerschaften und Benchmarks als Orientierungshilfe für die Akteure des Sektors sowie der Erörterung von Verbesserungsmöglichkeiten und Herausforderungen für die Zukunft. Alcimed nahm an der Veranstaltung teil und beleuchtet im Folgenden die drei CSR-Herausforderungen, denen sich die Akteure der Medizintechnik stellen müssen, um den CO2-Fußabdruck des französischen Gesundheitssektors zu verringern: Standardisierung, Partnerschaften und Anpassungsfähigkeit.

Herausforderung Nr. 1: Methoden zur Messung des CO2-Fußabdrucks standardisieren, um Hebel zur Emissionsreduzierung zu identifizieren

Um eine Reduktion der Treibhausgasemissionen im Gesundheitssektor zu erreichen, ist zunächst eine genaue Messung der Emissionen zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderlich. Auf Basis dieser ersten Momentaufnahme können anschließend potenzielle Optimierungsmaßnahmen abgeleitet werden.

Es existieren diverse Methoden zur Messung des Kohlenstoff-Fußabdrucks, wobei sich die Praktiken zunehmend auf Referenzinstrumente konzentrieren. Ein Beispiel hierfür ist der „Bilan Carbone®“ (französisch für Kohlenstoff-Fußabdruck), der von der ADEME (französische Agentur für Umwelt und Energiemanagement) entwickelt wurde. Diese Methode wurde beispielsweise vom Hôpital Bichat in Paris angewendet, um eine sechsmonatige monozentrische prospektive Studie über die Emissionen der Teams für Gefäßchirurgie, Thoraxchirurgie und Lungentransplantation durchzuführen. Im Rahmen der Bewertung wurden eine Vielzahl von Kriterien berücksichtigt, darunter die Reisen des Personals und der Patienten, die verwendeten Medikamente, die für die Herstellung von Medikamenten benötigte Energie, der Transport zum Krankenhaus, Verbrauchsmaterialien und Abfälle. In der Folge konnte der Kohlenstoff-Fußabdruck für die Bereiche 1, 2 und 3 für 15 analysierte Verfahren erstellt werden. Die Ergebnisse der Untersuchung legen dar, dass im Durchschnitt 73 Verbrauchsmaterialien – 43 in der Chirurgie und 30 in der Anästhesie – sowie 15 Medikamente pro Eingriff zum Einsatz kommen. Letztlich lassen sich die Emissionen eines Eingriffs mit einem Flug von Paris nach Berlin (rund 1.000 km) vergleichen. Die Resultate demonstrieren zudem, dass einzelne Kriterien eine signifikant höhere Relevanz aufweisen, wie beispielsweise Medikamente. Diesbezüglich generieren drei der 15 verwendeten Medikamente 91 % der gesamten Emissionen. Des Weiteren wurde eine beträchtliche Abfallmenge von 21 kg festgestellt, wobei lediglich ein Drittel davon recycelt werden kann. Dies ist in erster Linie auf Verbrauchsmaterialien zurückzuführen, die zu 95 % aus Kunststoff bestehen..

Der hier vorgestellte Ansatz fokussiert auf Maßnahmen und effektive Lösungsstrategien zur Reduktion des durch den Prozess bedingten Footprints. Das Ziel dieser Maßnahmen bestand in einer Reduktion des CO2-Fußabdrucks um 20 %. Unter den in Erwägung gezogenen Lösungen befinden sich: Die Hersteller sind dazu verpflichtet, den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte anzugeben, Inhalationsanästhetika zu vermeiden, Generika zu bevorzugen oder die Verpackung zu reduzieren. Die Abschaffung von Beipackzetteln, welche gesetzlich vorgeschrieben ist, oder die erneute Sterilisierung von Einweg-Medikamenten stellen keine gängigen Praktiken dar. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass sich der gesetzliche Rahmen in Zukunft in diese Richtung entwickelt, um den CO2-Fußabdruck zu verringern.

Die Schaffung, Harmonisierung und Pflege gemeinsamer Referenzinstrumente ist für den Gesundheitssektor von zentraler Bedeutung. Diesbezüglich sind insbesondere die folgenden Aspekte zu nennen: Erstens ermöglicht die Verwendung gemeinsamer Referenzinstrumente eine Verbesserung des Fachwissens und Know-hows. Zweitens werden Vergleiche und Extrapolationen ermöglicht, welche die Grundlage für eine Beschleunigung zukünftiger Veränderungen darstellen.

Herausforderung Nr. 2: öffentlich-private Partnerschaften aufbauen

Wie aus dem vorangegangenen Beispiel ersichtlich wird, sind alle Einrichtungen des Gesundheitswesens bestrebt, die Umweltauswirkungen ihrer Praktiken sowie der Verwendung medizinischer Geräte zu reduzieren. Auch die Arzneimittelhersteller streben eine Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen an, welche im Kontext der Produktion, des Vertriebs, der Verwendung usw. entstehen. Die genannten Bestrebungen sind komplementär, sodass gemeinsame Maßnahmen durchgeführt werden können, insbesondere in Form von Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, die bislang jedoch noch selten sind. Ein Beispiel für eine solche Kooperation ist das Projekt des Universitätsklinikums Rennes und von Philips, welches seit 2021 die Ökobilanz eines biplanaren interventionellen Bildgebungssystems für die Neuroradiologie, einschließlich Schlaganfallbehandlung, Intensivpflege und Anatomopathologie, erarbeitet. Im Jahr 2011 hat sich das Universitätskrankenhaus Rennes dazu verpflichtet, alle Abfälle um 20 % zu reduzieren. Dies erfolgte nach einer ersten vollständigen Bewertung des CO2-Fußabdrucks im Jahr 2008. Das Krankenhaus emittiert das Äquivalent von 81.000 Tonnen CO2, wobei 49 Tonnen CO2 pro Bett anfallen. Die Herausforderung für Philips bestand darin, verallgemeinerbare Lösungen für eine nachhaltige, kohlenstoffarme Gesundheitsversorgung zu entwickeln und zu testen (Pressemitteilung, 16. Mai 2022, Universitätsklinik Rennes).

Die vorliegende Kooperation demonstriert das Engagement eines interdisziplinären Teams aus zwei Akteuren des Gesundheitswesens, welche ein gemeinsames Ziel verfolgen, um einen innovativen, langfristigen Aktionsplan zu implementieren. Im Rahmen der Abschlussveranstaltung präsentierte Philips sein Engagement im Bereich nachhaltiger Einkauf und Kreislaufwirtschaft in Form einer Masterclass. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden zudem auf einem Kongress präsentiert, führten zu einer Auszeichnung des Universitätsklinikums und waren Gegenstand eines Podcasts. Die im ersten Absatz erwähnte Standardisierung verdeutlicht die Notwendigkeit, die üblicherweise bestehende Trennung der beiden Akteure zu überwinden und partnerschaftliche Ansätze zu entwickeln, welche die jeweiligen Stärken integrieren.

Herausforderung Nr. 3: an die lokalen Gegebenheiten und an die Bedürfnisse der einzelnen Akteure anpassen

Die Berücksichtigung von Corporate Social Responsibility (CSR) im Gesundheitswesen wird für Patientinnen und Patienten sowie für die allgemeine Öffentlichkeit zu einem entscheidenden Kriterium bei Kaufentscheidungen. Diese Entwicklung wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Es lässt sich eine Tendenz zu einer strengeren Gesetzgebung im Bereich der Corporate Social Responsibility beobachten. Obgleich die Einführung neuer Vorschriften auf der Grundlage von Umweltkriterien für öffentliche Aufträge bevorsteht, werden diese Kriterien gegenwärtig nicht systematisch in Ausschreibungen und deren Auswahlverfahren berücksichtigt. Eine Analyse der in der ersten Jahreshälfte bearbeiteten Ausschreibungen durch Braun ergab eine sehr heterogene Praxis. Eine große Zahl von Ausschreibungen beinhaltete CSR-Kriterien, jedoch ohne signifikante Gewichtung bei der Entscheidungsfindung. Zudem gab es nur eine geringe Anzahl von Ausschreibungen, in denen CSR-Kriterien mehr als 5 bis 10 % der Entscheidung ausmachten.

In Zukunft wird es von entscheidender Bedeutung sein, diesen Kriterien mehr Gewicht zu verleihen. Darüber hinaus ist es erforderlich, von den allgemeinen Informationen abzuweichen, die in den gegenwärtigen Verfahren verlangt werden. Die Kriterien müssen so präzisiert werden, dass sie die CSR-Prioritäten der einzelnen Betriebe widerspiegeln. Dadurch wird es den Herstellern ermöglicht, spezifische Antworten zu geben, die für sie wertvoller sind. Einige Einrichtungen zeigen bereits eine entsprechende Tendenz. Ein Beispiel ist das Universitätskrankenhaus Nancy, welches einen runden Tisch zum Thema verantwortungsbewusster Einkauf und Förderung von CSR im Einkauf von MD organisiert hat. Dadurch sollten die Akteure des Privatsektors in die Lage versetzt werden, ihre spezifischen Herausforderungen besser zu verstehen, um somit in der Lage zu sein, maßgeschneiderte Antworten auf ihre spezifischen Bedürfnisse (Wasser, biologische Vielfalt, Abfall, Energie usw.) zu geben. Diese Vorgehensweise erfährt seitens der Hersteller, die ihr Engagement in diesem Bereich intensivieren möchten, eine hohe Resonanz. Dies belegt die signifikante Teilnehmerzahl am vom Universitätsklinikum Nancy organisierten Webinar, welche zwischen 250 und 300 Herstellern lag.

Die Relevanz von CSR im Kontext von Ausschreibungen nimmt kontinuierlich zu. Diesbezüglich lassen sich auch auf französischer und europäischer Ebene entsprechende Entwicklungen beobachten. In Frankreich erfolgt seitens der Hersteller von Medizinprodukten sowie der Einrichtungen des Gesundheitswesens eine schrittweise Anpassung der Praktiken mit dem Ziel einer Reduktion der Treibhausgasemissionen. Der beschriebene Wandel wird durch verschiedene Maßnahmen konsolidiert und beschleunigt, darunter die Standardisierung von Vorgehensweisen, öffentlich-private Partnerschaften sowie die Anpassung der Medizinproduktehersteller an die Bedürfnisse der einzelnen Krankenhäuser. In den kommenden Jahren könnte die Berücksichtigung von CSR-Aspekten für die Akteure im Gesundheitssektor zu einem entscheidenden Kriterium bei der Differenzierung von Angeboten werden. Alcimed bietet Ihnen Unterstützung bei Ihren medizintechnischen Projekten. Für weitere Informationen und bei etwaigen Rückfragen steht Ihnen unser Team jederzeit zur Verfügung.


Über die Autorin, 

Auriane, Consultant in Alcimeds Healthcare Team in Frankreich

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