Die Bewältigung dieser Hürden kann auf zwei Ebenen erfolgen: Die Modifikation der mRNA-Modalität in Richtung selbst- oder trans-amplifizierender mRNA oder die Optimierung und Innovation des mRNA-Herstellungsprozesses. Die nachfolgenden Lösungsansätze basieren nicht auf verschiedenen mRNA-Modalitäten, sondern auf neuen Trends in der Bioproduktion. Die kontinuierliche Herstellung von mRNA-Therapeutika nach den Grundsätzen der (Pharma) Industrie 4.0 könnte die mit der mRNA-basierten Produktherstellung verbundenen Engpässe lösen, die nicht mit den chemischen Eigenschaften des mRNA-Moleküls selbst zusammenhängen.
Kontinuierliche mRNA-Produktion und Industrie 4.0
Die kontinuierliche Herstellung von mRNA-basierten Therapeutika umfasst die Unterteilung und Verbindung der verschiedenen Reaktionen der in-vitro Transkription, Reinigung und Verkapselung der mRNA.
mRNA-basierte Therapeutika bestehen aus der biologisch aktiven mRNA und einem Träger, der die Stabilität und die intrazelluläre Verfügbarkeit des mRNA-Moleküls gewährleistet. Die Erzeugung der mRNA erfolgt in der Regel durch einen Prozess, der als „in-vitro Transkription“ bezeichnet wird und den natürlichen Prozess der Transkription im menschlichen Körper nachahmt. Die DNA, welche das gewünschte Protein kodiert, wird durch spezifische Enzyme in mRNA umgeschrieben. Im Anschluss erfolgt eine Reinigung der mRNA sowie deren Einkapselung in Lipid-Nanopartikel (LNP). Die einzelnen Schritte sind für jedes neue mRNA-basierte Produkt identisch, wobei lediglich die DNA, die für das Protein von Interesse kodiert, für jedes Produkt spezifisch ist.
Die vergleichbar einfachen und standardisierten Herstellungsschritte von mRNA-Therapeutika machen sie für eine kontinuierliche Herstellung nach den Grundsätzen der Industrie 4.0 attraktiv. Dies würde die Qualitätskontrolle und den Materialverbrauch verbessern sowie die Abfallmenge minimieren. Der Begriff „Continous Manufacturing“ bezeichnet einen Herstellungsprozess, bei dem die eingesetzten Rohstoffe bzw. Substrate kontinuierlich in den Herstellungsprozess eingespeist werden, während das hergestellte Produkt kontinuierlich aus dem System entnommen wird. Die fließenden Herstellungsprozesse könnten automatisiert und auch digitalisiert durchgeführt werden, was den Prinzipien der Industrie 4.0 entspricht.
Die kontinuierliche Herstellung von mRNA-basierten Therapeutika umfasst die Kompartimentierung und Verbindung der verschiedenen Reaktionen der In-vitro-Transkription, Reinigung und Verkapselung der mRNA. Strategien zur In-situ-Produktentfernung, Substratzufuhr, Produktrückgewinnungsstrategien sowie die Rückgewinnung von freien Rohstoffen würden eine Rezirkulation und Wiederverwendung von Verbindungen ermöglichen, wodurch die Kosten und die Menge an Rohstoffen gesenkt werden könnten.
Intensivierter Reinigungsprozess dank multimodaler Chromatographie
Der Trend zur Verwendung multimodaler Chromatographie, bei der Moleküle auf der Grundlage mehrerer physiochemischer Eigenschaften des Zielmoleküls und der Chromatographiematrix in einem Reinigungsschritt getrennt werden, anstelle verschiedener, klassischer Chromatographieschritte während der nachgeschalteten Herstellungsprozesse, wurde im letzten Jahrzehnt für die Erzeugung von Biopharmazeutika auf Proteinbasis beschrieben. Auch für die Herstellung von mRNA ist diese Methode von Interesse. In einem Szenario, in dem die erzeugte mRNA aufgereinigt wird und freie Rohstoffe kontinuierlich zurückgewonnen werden, ermöglicht die multimodale Chromatographie einen intensivierten Aufreinigungsprozess, der dann automatisiert und in einen kontinuierlichen Herstellungsprozess integriert werden könnte. Der chromatographische Aufbau sowie der Reinigungsprozess von bereits existierenden mRNA-Therapeutika sind bislang nicht öffentlich bekannt. Es wird jedoch in der Literatur beschrieben, dass die multimodale Chromatographie, beispielsweise auf der Grundlage von CaptoCore (Cytiva) oder Primesep SB (SiELC), bei der Aufreinigung von Biotherapeutika zum Einsatz kommt und auch für die Aufreinigung von mRNAs verwendet werden könnte.
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Automatisierte und digitalisierte mRNA-Herstellung
Um die Produktion von Millionen von Dosen seines mRNA-Impfstoffs gegen SARS-CoV2 zu beschleunigen, nutzte Pfizer das Prinzip des „Continous Manufacturing“, welches sich auf eine kontinuierliche Technik zur Kontrolle der Verkapselung von mRNA in LNPs stützte. Das chinesische biopharmazeutische Unternehmen Walvax Biotechnology implementierte in Zusammenarbeit mit Experten des amerikanischen Herstellers Honeywell intelligente Fertigungstechnologien in seine Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe, um digitale Abläufe in der Anlage zur Herstellung von Millionen von mRNA-Impfstoffdosen pro Jahr zu ermöglichen. Ein Beispiel für die Vorteile der Digitalisierung in der mRNA-basierten therapeutischen Produktion von Walvax ist die Erzeugung digitaler Zwillinge. Im Rahmen der Digitalisierung werden sämtliche Daten, die im Produktionsprozess anfallen, gesammelt und in ein Datenzentrum eingespeist. Die Datensammlung könnte folglich dazu verwendet werden, einen digitalen Zwilling des Herstellungsprozesses zu erstellen. Im Rahmen einer digitalen Zwilling-basierten Fertigungsprozessoptimierung könnten geänderte Konfigurationen des Fertigungsprozesses zur Verbesserung und Effizienzsteigerung zunächst in einem digitalen Zwilling getestet und anschließend in den Produktionsprozess hochgeladen werden, ohne dass eine Neuzuordnung erforderlich wäre.
Andere Unternehmen, die mRNA-Therapeutika herstellen, verfolgen einen anderen Ansatz, indem sie keine großen Mengen an mRNA-basierten Produkten, sondern eher kleine Mengen personalisierter mRNA-Therapeutika herstellen. Das deutsche biopharmazeutische Unternehmen CureVac entwickelt derzeit in Zusammenarbeit mit Tesla Grohmann Automation eine mobile, vollautomatische und standardisierte mRNA-Therapeutika-Herstellungsplattform, den sogenannten RNA Printer®, zur Erzeugung kleinerer Mengen für personalisierte therapeutische Ansätze. Das in Kalifornien ansässige biopharmazeutische Unternehmen Nutcracker Therapeutics fokussiert sich bei der Produktion von mRNA für die personalisierte Medizin auf die Verwendung von Biochips in einem vollautomatischen und isolierten Herstellungsprozess.
mRNA-basierte Therapeutika sind von großem Interesse für die pharmazeutische Industrie sowie für die breite Gesellschaft, da sie unter anderem eine vielversprechende Behandlungsmethode in der Onkologie, aber auch z.B., bei Atemwegserkrankungen darstellen. Die mit der Herstellung von mRNA-basierten Produkten verbundenen Herausforderungen werden zunehmend überwunden. Denn der allgemeine Trend in der biopharmazeutischen Produktion hin zu „Continous Manufacturing“ nach den Prinzipien der Industrie 4.0 könnte auch für die mRNA-Herstellung gelten und zu einer höheren Produktionseffizienz und einer verbesserten Rohstoffausnutzung führen. Wir beobachten die rasanten Entwicklungen in diesem Bereich genau und unterstützen Sie gerne bei Ihren Projekten zu diesen Themen. Zögern Sie nicht, unser Team zu kontaktieren!
Über die Autorin,
Frederike, Consultant in Alcimeds Life Sciences Team in Deutschland