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Wie beeinflusst KI die Zukunft der medizinisch unterstützten Fortpflanzung?

Veröffentlicht am 14 März 2025 Lesen 25 min

Laut verschiedenen Statistiken nimmt die Unfruchtbarkeit in der erwachsenen Bevölkerung vieler Länder weltweit – darunter auch Frankreich – zu. Diese Entwicklung führt dazu, dass immer mehr Menschen mit Kinderwunsch auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung, auch bekannt als „künstliche Befruchtung“, zurückgreifen. In Frankreich wurde dieser Anstieg zudem durch das Bioethik-Gesetz aus dem Jahr 2021 verstärkt, das allen Frauen mit einem Kinderwunschprojekt den Zugang zu Methoden der künstlichen Befruchtung ermöglicht. Trotz der technologischen Fortschritte der letzten Jahre bleiben die Erfolgsraten solcher Maßnahmen jedoch begrenzt und können die hohe Nachfrage kaum decken. In diesem Zusammenhang könnte künstliche Intelligenz – wie in anderen medizinischen Bereichen – den Weg für eine erhebliche Verbesserung der Ergebnisse ebnen.

In diesem Artikel analysieren wir von Alcimed die potenziellen Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz (KI) in der assistierten Reproduktion und beleuchten die damit verbundenen ethischen Fragestellungen.

Aktuelle Zahlen zu Unfruchtbarkeit und verfügbare Methoden der künstlichen Befruchtung

Ursachen des Anstiegs der Unfruchtbarkeit in Frankreich

Laut dem neuesten Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Unfruchtbarkeit ein weltweites Gesundheitsproblem, das zahlreiche emotionale, psychologische und finanzielle Herausforderungen mit sich bringt. Sie betrifft etwa jeden sechsten Menschen weltweit, was 17,5 % der erwachsenen Bevölkerung entspricht – und Frankreich bildet hier keine Ausnahme. Die aktuellen Schätzungen zeigen, dass die Prävalenz der Unfruchtbarkeit unabhängig vom Einkommensniveau (hoch, mittel oder niedrig) von Land zu Land vergleichbar ist.

In Frankreich sind 3,3 Millionen Menschen direkt von Unfruchtbarkeit betroffen, also fast jedes vierte Paar. Zwischen 2008 und 2017 nahmen jährlich mehr als 150.000 Paare eine medizinische Behandlung wegen Unfruchtbarkeit in Anspruch und diese Zahl steigt weiterhin an1https://www.vie-publique.fr/en-bref/284231-hausse-de-linfertilite-quoi-est-elle-due-et-comment-la-combattre. In einem Bericht des französischen Gesundheitsministeriums vom Februar 2022 wurden verschiedene Ursachen für diesen Anstieg identifiziert, die gesellschaftlicher, umweltbedingter und medizinischer Natur sind.

Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der ersten Geburt ist von 24 Jahren im Jahr 1975 auf 28,8 Jahre im Jahr 2019 gestiegen – zu einem Zeitpunkt, an dem die weibliche Fruchtbarkeit bereits ab dem 30. Lebensjahr abnimmt und ab 35 Jahren noch stärker zurückgeht. Diese Verzögerung der Elternschaft ist auf mehrere gesellschaftliche Faktoren zurückzuführen, darunter die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen, der verbreitete Einsatz von Verhütungsmitteln sowie das Streben nach beruflicher und finanzieller Stabilität vor der Familiengründung.

Darüber hinaus führen Umweltfaktoren wie die Belastung durch endokrine Disruptoren und Luftverschmutzung zu einer verminderten Fruchtbarkeit. Auch bestimmte Lebensgewohnheiten haben negative Auswirkungen, darunter Rauchen, Cannabiskonsum, Adipositas und eine unausgewogene Ernährung.

Dies sind nur einige der Gründe für die zunehmende Inanspruchnahme von Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Es werden zudem vermehrt Forderungen laut, den Zugang zu solchen Behandlungen für alle Frauen zu öffnen. Seit Inkrafttreten des französischen Bioethik-Gesetzes im August 2021 haben nun auch alleinstehende Frauen und Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit einem Kinderwunschprojekt Zugang zu Methoden der künstlichen Befruchung.

Verfügbarkeit und Wirksamkeit der aktuellen Behandlungen der assistierten Reproduktion

Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung umfasst mehrere Techniken:

  • Künstliche Insemination mit Spermien des Ehepartners oder eines Drittspenders;
  • In-vitro-Fertilisation (IVF), bei der Eizellen und Spermien des Ehepartners oder eines Drittspenders in einer Petrischale zusammengeführt werden. Neben dieser klassischen IVF-Technik, bei der mehrere Gameten gleichzeitig in Kontakt gebracht werden, gibt es auch die Methode der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI), bei der ein einzelnes Spermium direkt in eine Eizelle injiziert wird. Ziel beider Verfahren ist es, Embryonen zu erzeugen, die anschließend in die Gebärmutter der Frau eingesetzt werden;
  • Embryonenspende, bei der Embryonen eines Spenderpaares oder einer Spenderin, die während einer IVF eingefroren wurden, in die Gebärmutter einer Patientin übertragen werden.

Heute sind IVF und ICSI die am häufigsten genutzten Methoden zur Behandlung von Unfruchtbarkeit, doch sie sind nur bedingt wirksam. Die durchschnittliche Erfolgsrate des ersten IVF-Zyklus liegt bei Frauen unter 35 Jahren bei etwa 25–30 % und nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Auswahl der Embryonen für die Implantation, die nach wie vor eine große Herausforderung darstellt. Derzeit erfolgt die Auswahl hauptsächlich anhand morphologischer Kriterien unter dem Mikroskop, was nicht immer gewährleistet, dass die lebensfähigsten Embryonen ausgewählt werden. Dadurch bleibt das Risiko eines Implantationsversagens oder einer Fehlgeburt hoch.

Trotz der erzielten Fortschritte müssen viele Patientinnen mehrere IVF-Zyklen durchlaufen, bevor ihr Kinderwunschprojekt erfolgreich ist. Der gesamte Prozess dauert im Durchschnitt vier Jahre und erfordert zahlreiche Untersuchungen, was eine erhebliche physische und psychische Belastung darstellt und die finanziellen Kosten der Behandlung erhöht.

Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach medizinisch unterstützter Fortpflanzung, während die Anzahl der durchgeführten Verfahren zur künstlichen Befruchtung nicht im gleichen Maße zunimmt. Die französische Biomedizin-Behörde (Agence de Biomédecine) meldete einen Anstieg der Anfragen um 25 % zwischen der zweiten Hälfte des Jahres 2022 und der ersten Hälfte des Jahres 2023, während die tatsächlich durchgeführten Erstberatungen im gleichen Zeitraum nur um 2,8 % zunahmen2Agence de la biomédecine (2023, 14 December). AMP: requests for treatment still on the rise.. Seit dem Bioethik-Gesetz von August 2021 ist die Anzahl der Erstberatungen für lesbische Paare und alleinstehende Frauen 7,5-mal höher als für heterosexuelle Paare3Vie publique (2023, 8 September). Bioethics: opening MAP to all women..

Potenzielle Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz Behandlungen zur künstlichen Befruchtung

Künstliche Intelligenz wird seit den 1980er-Jahren im Gesundheitswesen eingesetzt, fand jedoch erst in den 2010er-Jahren Einzug in die assistierte Reproduktion. Dank ihrer Kapazitäten, große Datenmengen zu analysieren und komplexe Muster zu identifizieren, bietet KI die Hoffnung auf erhebliche Verbesserungen bei IVF-Behandlungen. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die verschiedenen Phasen der IVF-Behandlung, auf die sie einen großen Einfluss haben könnte.

KI zur Verbesserung der Embryonenauswahl

Die Auswahl von Embryonen erfolgt üblicherweise durch manuelle und subjektive Beobachtung, da es bislang keine einheitliche oder standardisierte Methode gibt. Bildanalyse-Algorithmen, die auf künstlicher Intelligenz basieren, revolutionieren diesen Prozess jedoch grundlegend.

Durch die präzisere Analyse verschiedener Embryo-Merkmale, die für das menschliche Auge nicht immer erkennbar sind – darunter Morphologie, Zellteilungsmuster sowie chromosomale oder genetische Anomalien – kann KI eine objektivere und genauere Beurteilung der Embryoqualität ermöglichen. Ende Dezember 2022 veröffentlichte die Fachzeitschrift The Lancet Digital Health eine Studie, die zeigte, dass künstliche Intelligenz mit einer Genauigkeit von etwa 70 % bestimmen kann, ob ein im Reagenzglas befruchteter Embryo genetisch lebensfähig ist4Barnes, J. et al. (2023). A non-invasive artificial intelligence approach for the prediction of human blastocyst ploidy : a retrospective model development and validation study. The Lancet Digital Health, 5(1)..

Andererseits kann KI auch mit Bildgebungssystemen in Embryoskopen kombiniert werden, den Inkubatoren, die zur Überwachung der Embryonalentwicklung vor der Implantation verwendet werden. Dies würde die Genauigkeit und Geschwindigkeit der Analyse der Datenmengen, die das System erzeugt, erhöhen.

Insgesamt könnte KI die Chancen erheblich verbessern, die Embryonen zu identifizieren, die am wahrscheinlichsten zu einer Schwangerschaft führen, und damit die Erfolgsraten und die Dauer von IVF-Behandlungen verbessern.

KI zur Erstellung personalisierter Behandlungspläne

Jedes Verfahren der künstlichen Befruchtung wird von verschiedenen Faktoren wie dem Alter der Patientin, ihrer Krankengeschichte und ihren Hormonwerten beeinflusst. In diesem Zusammenhang ist KI in der Lage, große Datensätze aus früheren IVF-Zyklen sowie Profile anderer Patientinnen zu analysieren, um Muster und Faktoren zu identifizieren, die die Erfolgsraten beeinflussen. Mit diesen Informationen können Ärzte personalisierte Behandlungspläne erstellen und IVF-Protokolle auf die spezifischen Bedürfnisse jeder Patientin zuschneiden.

Ein Beispiel hierfür sind Hormonbehandlungen, die eine entscheidende Rolle im IVF-Prozess spielen, indem sie die Eierstöcke stimulieren, um eine ausreichende Anzahl reifer Eizellen zu produzieren. Künstliche Intelligenz könnte dabei helfen, das hormonelle Gleichgewicht und die Dosierungen in Echtzeit anzupassen, insbesondere um die Risiken im Zusammenhang mit übermäßigen Hormonbehandlungen (wie dem ovariellen Überstimulationssyndrom) zu reduzieren.

Dieser personalisierte Ansatz erhöht nicht nur die Erfolgschancen, sondern verringert auch die emotionale und finanzielle Belastung durch mehrere erfolglose Versuche sowie die Nebenwirkungen und den Stress, die mit der medizinisch unterstützten Fortpflanzung verbunden sind.


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Ethische Herausforderungen und Probleme im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI in Verfahren der künstlichen Befruchtung

Auch wenn die potenziellen Vorteile von KI in der medizinisch unterstützten Fortpflanzung erheblich sind, gibt es mehrere ethische und praktische Herausforderungen, die berücksichtigt werden sollten.

Herausforderung Nr. 1: den Datenschutz und die Vertraulichkeit sicherstellen

Wie im Bereich eHealth oder Telemonitoring gibt es auch hier Überlegungen hinsichtlich der Datenqualität und Vertraulichkeit. KI-Algorithmen benötigen große Datensätze, um trainiert zu werden und präzise Vorhersagen zu treffen, was Bedenken hinsichtlich des Patientenschutzes und der Sicherheit sensibler Informationen aufwirft. Auf der anderen Seite führt die Heterogenität der Kriterien zur Embryonenauswahl von einer Klinik zur anderen zu einer hohen Variabilität der Daten, was es schwierig machen kann, konsistente und allgemein anwendbare KI-Modelle zu entwickeln.

Herausforderung Nr. 2: die Transparenz von Algorithmen und die Akzeptanz durch Patientinnen sicherstellen

Die Transparenz der Algorithmen ist ebenfalls entscheidend. Entscheidungen, die von automatisierten Systemen getroffen werden, müssen für Ärzte und Patientinnen gleichermaßen verständlich und nachvollziehbar sein. Es ist wichtig, dass künstliche Intelligenz als Ergänzung zum ärztlichen Urteil und nicht als Ersatz dafür eingesetzt wird. Tatsächlich könnten Patientinnen skeptisch gegenüber der Verwendung von KI in ihrer Behandlung sein, aus Angst, dass die Technologie die menschliche Expertise ersetzt oder „entmenschlichend“ wirkt. Aus diesem Grund sollten Ärzte im Umgang mit diesen neuen Technologien geschult werden, um eine erfolgreiche Integration in die Behandlung sicherzustellen.

Herausforderung Nr. 3: den Zugang zu KI-Technologien gewährleisten und Ungleichheiten in der Versorgung überwachen

Und schließlich ist es wichtig, den allgemeinen Zugang zu KI-gestützten Technologien sicherzustellen. Diese Innovationen können die Erfolgsraten in der assistierten Reproduktion verbessern, doch sollte dabei auch berücksichtigt werden, wie sie sich für Patientinnen auf die Behandlungskosten auswirken. Wenn die Behandlungskosten steigen, könnten geeignete Regulierungen und Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung erforderlich sein, um den Zugang zu solchen Behandlungen für alle Betroffenen zu gewährleisten.

Die Nutzung von künstlicher Intelligenz könnte einen bedeutenden Fortschritt im Bereich der medizinisch unterstützten Fortpflanzung darstellen. Durch die Verbesserung der Embryonenauswahl und die Personalisierung der Verfahren hat KI das Potenzial, die Verfahren der künstlichen Befruchtung zu revolutionieren. Damit diese Revolution jedoch für alle von Nutzen ist, ist es entscheidend, ethische Herausforderungen zu überwinden, den Zugang zu diesen innovativen Technologien für alle Betroffenen zu gewährleisten und die Forschung weiter voranzutreiben, um sie zu verbessern und weiterzuentwickeln. Wir von Alcimed verfolgen die schnellen Entwicklungen auf diesem Gebiet genau und unser Team steht gerne bereit, Sie in diesen Fragen zu begleiten. Zögern Sie nicht, unser Team zu kontaktieren!


Über die Autorin, 

Mathilde, Consultant in Alcimeds Innovations- und Public Policy Team in Frankreich

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