Demenz und Diabetes – zwei miteinander zusammenhängende und drängende Probleme
Demenz wird inzwischen von der Weltgesundheitsorganisation als eine der wichtigsten Prioritäten im Bereich der öffentlichen Gesundheit betrachtet und es wird prognostiziert, dass die damit zusammenhängenden Kosten von 818 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015 auf 2 Billionen US-Dollar im Jahr 2030 steigen werden. Dies war der Auslöser für die Entwicklung des „Globalen Aktionsplans zur Reaktion der öffentlichen Gesundheit auf Demenz 2017-2025“ im Mai 2017.
Die WHO hatte zum ersten Mal 2015 in einem Bericht auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Diabetes und Demenz hingewiesen. Tatsächlich haben mehrere Studien gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Diabetes und kognitiven Beeinträchtigungen gibt:
- Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D) haben ein 50 % höheres Demenzrisiko als Nicht-Diabetiker.
- Es wurde auch vermutet, dass T2D-Patienten, die früher von der Krankheit betroffen sind oder eine schlechtere Kontrolle über ihren Blutzuckerwert haben, ein höheres Risiko haben, eine Demenz zu entwickeln.
- In den letzten Jahren wurde nachgewiesen, dass Antidiabetika und Insulin die kognitive Dysfunktion bei Alzheimer-Patienten wahrscheinlich verbessern.
Kausale Zusammenhänge müssen noch gefunden werden, um das Rätsel zu lösen und neue Behandlungsmöglichkeiten zu finden
Die klinischen Beobachtungen, welche die Hypothese eines Zusammenhangs zwischen Diabetes und Demenz stützen, häufen sich. Insbesondere im Fall der vaskulären Demenz werden die Mechanismen, die diesem Zusammenspiel zugrunde liegen, allmählich anerkannt. Da Demenz jedoch ein breites Spektrum von Erkrankungen umfasst, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die Art und die Varianten der Beziehung zwischen diesen beiden Krankheiten zu entschlüsseln und schließlich neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Insbesondere wurden bisher mehrere Mechanismen in Betracht gezogen/untersucht, um die Auswirkungen von schlecht kontrolliertem Insulin auf die Krankheitsmechanismen zu erklären, die zu verschiedenen Arten von Demenz führen:
- Im Falle der vaskulären Demenz könnte eine Hyperglykämie oder ein hoher Insulinspiegel bei Diabetikern die Gehirnzellen und Blutgefäße schädigen und zu mikrovaskulären Komplikationen im Gehirn führen, die eine unzureichende Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen zur Folge haben.
- Bei Alzheimer hingegen könnte der erhöhte Insulinspiegel den Abbau von Amyloid β verhindern, indem er die Wirkung des Enzyms, das es abbaut, einschränkt. Es wurden auch andere Hypothesen in Bezug auf die Auswirkungen von T2D auf das Tau-Protein aufgestellt.
Beide Erkrankungen und ihre zugrundeliegenden biologischen Mechanismen sind komplex. Einige Studien gehen sogar von einem gegenteiligen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung aus: Die kanadische Alzheimer-Gesellschaft hat kürzlich die Hypothese aufgestellt, dass Alzheimer die Insulinproduktion beeinträchtigen und die Gehirnzellen unempfindlich machen könnte.
Neue Chancen im Bereich Forschung und Entwicklung für Wissenschaft und Pharmaunternehmen
All diese Hypothesen werfen grundlegende Fragen für Forscher und industrielle Akteure in der ganzen Welt auf. Könnte der Einfluss von T2D auf die Entwicklung von Demenz eine neue Richtung sein, die erforscht werden sollte? Insbesondere in Anbetracht der Schwierigkeit, bei Diabetes zu neuen Durchbrüchen zu gelangen und des wachsenden Forschungsgebiets, das sich mit Diabeteskomplikationen und -komorbiditäten befasst? Und könnte dieser Weg zu neuen Wirkstoffen führen, die nicht nur zur Behandlung von Diabetes, sondern auch zum Schutz der Gehirnzellen geeignet sind? Bei Alcimed glauben wir das.
Um einer Lösung näher zu kommen, sollten 3 Fragen beantwortet werden:
- Welches Ausmaß hat das Problem? Die Gesamtzahl der Diabetespatienten wird von 425 Millionen im Jahr 2017 auf 629 Millionen im Jahr 2045 ansteigen. Demenz ist derzeit die siebthäufigste Todesursache und die Zahl der von Demenz betroffenen Menschen wird sich weltweit von 50 Millionen im Jahr 2015 auf 152 Millionen im Jahr 2050 verdreifachen. Sollte ein kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden, würde dies bedeuten, dass die oben erwähnten Prognosen zur Epidemiologie, zu den Auswirkungen und zur Belastung durch Demenz das Problem unterschätzen. Eine erste Einschätzung des möglichen Ausmaßes des Problems ist von entscheidender Bedeutung, um das Bewusstsein für diese Problematik zu schärfen und die erforderlichen öffentlichen und privaten Mittel für die weitere Erforschung dieses Themas bereitzustellen.
- Inwieweit herrscht zum jetzigen Zeitpunkt auf Grundlage der aktuellen Forschungen Konsens? Es sollte geklärt werden, welche Daten auf diesem Gebiet verfügbar sind und welche fehlen. Auf dieser Grundlage wird es einfacher sein, neue und angemessene Hypothesen über die Krankheitsmechanismen und potenzielle Behandlungsansätze zu entwickeln.
- Wie sieht es mit neuen Methoden oder Ansätzen aus, die zur Prüfung dieser Hypothesen und zur Suche nach neuen Arzneimittelkandidaten genutzt werden können? Es sollte in Betracht gezogen werden, den Einfluss vorhandener Medikamente auf den Schutz der Gehirnzellen – sowohl der Neuronen als auch der Gliazellen – zu testen, um zu sehen, welchen Einfluss sie auf die Verzögerung des Auftretens von Demenzsymptomen haben. Die Möglichkeit, Diabetes zu behandeln und gleichzeitig seine Folgen für das Gehirn zu vermeiden, könnte in der Zukunft einen Durchbruch darstellen.
Über die Autoren,
Angela, Senior Consultant in Alcimeds Healthcare Team in Frankreich
Luc, Partner und Business Unit Manager in Alcimeds Healthcare Team in Frankreich