Was sind die größten Herausforderungen in der Alternsforschung und der Arzneimittelentwicklung?
Herausforderung Nr. 1: den komplexen Alterungsprozess verstehen
Altern ist ein vielschichtiger Prozess, der durch eine Kombination aus Umweltfaktoren und endogenen Einflüssen gesteuert wird. Im Laufe des Lebens führen verschiedene äußere Einwirkungen dazu, dass die Fähigkeit des Körpers, zelluläre Schäden zu reparieren, abnimmt. Obwohl Wissenschaftler bereits Fortschritte bei der Identifizierung der grundlegenden Merkmale des Alterungsprozesses gemacht haben, müssen die komplexen molekularen, zellulären und physiologischen Veränderungen, die mit dem Altern einhergehen, noch genauer erforscht werden. Das Entschlüsseln dieser Prozesse ist entscheidend für die Entwicklung gezielter Maßnahmen, die den Alterungsprozess wirksam verlangsamen oder sogar umkehren können.
Herausforderung Nr. 2: geeignete klinische Studien für geriatrische Patienten entwickeln und durchführen
Die Entwicklung von Medikamenten für geriatrische Patienten stellt eine vielschichtige Herausforderung dar. Ältere Menschen leiden häufig unter mehreren Begleiterkrankungen, was es schwierig macht, eine einzelne Krankheit mit einem universellen Ansatz gezielt zu behandeln. Klinische Studien stehen zudem vor der Herausforderung, funktionelle Ergebnisse zu bewerten, die entscheidend sind, um den Einfluss von Maßnahmen auf das allgemeine Wohlbefinden älterer Menschen zu verstehen.
Darüber hinaus führt der Ausschluss gebrechlicher Personen aus klinischen Studien nicht nur dazu, dass die Ergebnisse weniger verallgemeinerbar sind, sondern vernachlässigt auch gerade jene Patientengruppe, die am dringendsten neue therapeutische Optionen zur Bewältigung altersbedingter Gesundheitsprobleme benötigt. Um diese Herausforderungen zu überwinden, sind inklusive und maßgeschneiderte klinische Studien erforderlich, die die tatsächliche Komplexität des Gesundheitszustandes geriatrischer Patienten widerspiegeln.
Herausforderung Nr. 3: die Anerkennung altersbedingter Erkrankungen durch Regulierungsbehörden fördern
Eine zentrale Hürde in der Alternsforschung und der Arzneimittelentwicklung liegt im regulatorischen Rahmen. Viele altersbedingte Erkrankungen werden von Regulierungsbehörden nicht offiziell anerkannt, was Unsicherheit darüber schafft, ob vorgeschlagene Indikationen akzeptiert werden. Die Kriterien zur Anerkennung einer Erkrankung, wie sie beispielsweise von der FDA festgelegt werden, bieten oft keine klare Orientierung für altersbedingte Gesundheitsprobleme.
Diese regulatorische Herausforderung erschwert den Zulassungsprozess für Medikamente, die auf geriatrische Krankheitsbilder abzielen. Um diese Lücke zu schließen, sind gezielte Bemühungen erforderlich, um klarere Richtlinien und Anerkennungskriterien einzuführen, die den besonderen Merkmalen altersbedingter Erkrankungen gerecht werden.
Trotz dieser Herausforderungen hat sich die Rolle der Alternsforschung in der Arzneimittelentwicklung in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt – angetrieben durch Fortschritte in der Erforschung von Alterungsprozessen, technologische Innovationen und neue Ansätze in der Arzneimittelforschung.
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4 Beispiele für die neuesten Fortschritte in der Alternsforschung und der Arzneimittelentwicklung
Beispiel Nr. 1: Geroscience und die gezielte Beeinflussung von Alterungsmechanismen
Jüngste Fortschritte in der Alternsforschung haben zwölf miteinander verknüpften Merkmale des Alterungsprozesses identifiziert. Dazu gehören genomische Instabilität, Telomerverkürzung, epigenetische Veränderungen, der Verlust der Proteostase, gestörte Makroautophagie, deregulierte Nährstoffsensoren, mitochondriale Dysfunktion, zelluläre Seneszenz, Stammzellerschöpfung, veränderte interzelluläre Kommunikation, chronische Entzündungen und Dysbiose.
Die Identifizierung dieser Merkmale erlaubt wertvolle Einblicke in die biologischen Mechanismen, die dem Alterungsprozess zugrunde liegen. Die Gerowissenschaft (Geroscience), ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das die Beziehung zwischen Alterungsprozessen und chronischen Krankheiten untersucht, betrachtet das Altern selbst als therapeutisches Ziel. Indem sie die zentralen biologischen Mechanismen besser verstehen, streben Forschende die Entwicklung von Medikamenten an, die der Anhäufung altersbedingter Schäden entgegenwirken.
Beispiel Nr. 2: genetische Erkenntnisse und Langlebigkeit („Longevity“)
In genetischen Studien mit Loss-of-Function- und Gain-of-Function-Mutationen wurden Gene identifiziert, die eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Lebensspanne spielen. Ein Beispiel ist das CDGSH iron-sulphur domain 2 (CISD2)-Gen, dessen Überexpression vielversprechende Effekte auf die Entwicklung altersbedingter Erkrankungen zeigt. Dies deutet darauf hin, dass eine arzneimittelgestützte Aktivierung von CISD2 im späten Lebensalter die Langlebigkeit fördern könnte. Diese Erkenntnisse liefern wertvolle Angriffspunkte für die Arzneimittelentwicklung, um gesundes Altern zu fördern.
Beispiel Nr. 3: „KI-Biomarker“ und Arzneimittelforschung
Die Integration moderner KI-Algorithmen in die Alternsforschung hat diesen Bereich revolutioniert. Künstliche Intelligenz ermöglicht die Entwicklung von Altersprädiktoren und Biomarkern und eröffnet neue Möglichkeiten zur Analyse dynamischer und statischer Datentypen. Solche KI-basierten Biomarker liefern eine ganzheitliche Sicht auf biologische Prozesse und helfen, zentrale Merkmale und potenzielle Wirkstoffziele zu identifizieren.
Die nahtlose Einbindung von KI in die Alternsforschung hat das Potenzial, die Glaubwürdigkeit und Bedeutung der Biotechnologie im Longevity-Bereich in der Gesundheits- und Pharmaindustrie erheblich zu stärken.
Beispiel Nr. 4: krankheitsspezifische Behandlungen
Bei den neuesten Entwicklungen von Anti-Aging-Behandlungen wird verstärkt auf gezielte Strategien für altersbedingte Erkrankungen gesetzt. So werden in verschiedenen Studien beispielsweise gemeinsame Mechanismen untersucht, die Typ-2-Diabetes und Alzheimer miteinander verbinden, und mögliche Behandlungen entwickelt, die beide Erkrankungen gleichzeitig adressieren könnten. Zudem arbeiten Forschende an pharmakologischen und nutrazeutischen Therapien – also an nährstoffreichen Produkten, die mit ihren gesundheitlichen Vorteilen über die reine Ernährung hinausgehen –, um die Krankheitsdauer zu verkürzen und ein längeres, gesundes Leben ohne chronische Erkrankungen zu ermöglichen.
Auch Privatunternehmen investieren massiv in die Alternsforschung und eröffnen zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten. Die Weltbevölkerung altert rapide: Bis 2050 wird sich die Zahl der über 65-Jährigen voraussichtlich verdoppeln. Dieses Wachstum wird die Nachfrage nach Behandlungen erhöhen, die sowohl die Lebensqualität verbessern als auch die Gesundheitskosten senken. Risikokapitalgeber (z. B. Longevity Venture Partners), Biotechnologieunternehmen (z. B. BioAge Labs) und Tech-Giganten wie Google (über Calico) sowie Jeff Bezos (über Altos Labs) investieren bereits stark in diesen Bereich. Auch große Pharmaunternehmen beteiligen sich zunehmend, um ihr Angebot zu erweitern und altersbedingte Krankheitsmechanismen – etwa bei Alzheimer oder Diabetes – gezielt zu adressieren.
Trotz bestehender Herausforderungen sind Fortschritte in diesem Bereich möglich, wenn die vielschichtigen Aspekte des Alternungsprozesses berücksichtigt, klinische Studien inklusiver gestaltet und regulatorische Hürden überwunden werden. Die Zusammenarbeit zwischen Pharma-, Biotech- und Konsumgüterunternehmen – etwa im Rahmen von Initiativen wie der Aging Research and Drug Discovery (ARDD)-Konferenzreihe – zeigt, dass Alternsforschung immer mehr zur Priorität wird.
Die Verbindung aus bahnbrechender Forschung, technologischer Innovation und dem Bestreben zahlreicher Akteure, Alterungsprozesse besser zu verstehen und gezielt zu adressieren, bietet eine vielversprechende Perspektive für die Zukunft. Je mehr die Wissenschaft die Geheimnisse des Alterns entschlüsselt, desto mehr steigt das Potenzial für Behandlungen, die nicht nur die Lebensspanne verlängern, sondern auch die Lebensqualität erheblich verbessern können.
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Über die Autorin,
Mikka, Consultant in Alcimeds Life Sciences Team in Deutschland