Healthcare

Mikrobiom und Onkologie: Welche immunonkologischen Behandlungen sollten in Betracht gezogen werden?

Veröffentlicht am 10 September 2024 Lesen 25 min

Nach Infektionskrankheiten stellt Krebs mit mehr als 100 laufenden Projekten einen wichtigen Bereich für Mikrobiomstudien dar. Im Rahmen von Mikrobiom-Krebs-Studien werden Medikamente entwickelt, welche die Nebenwirkungen einer Chemotherapie, wie beispielsweise Durchfall, abschwächen sollen. Zudem werden mikrobielle Biomarker erforscht, welche eine Frühdiagnose oder die Überwachung des Krankheitsverlaufs ermöglichen. Der vielversprechendste Ansatz ist vermutlich die Entwicklung von Arzneimittelkombinationen mit Immuntherapie-Checkpoint-Inhibitoren.

Vor einem Jahr habe ich eine Analyse der Portfolios von acht großen Pharmaunternehmen durchgeführt und dabei Mikrobiom-basierte Therapeutika als ein Trendthema in der Immuno-Onkologie identifiziert. Im vergangenen Jahr hat sich auf diesem boomenden und faszinierenden Gebiet viel getan. Welche neuen therapeutischen Initiativen lassen sich im Bereich Mikrobiom und Onkologie beobachten? Welche Newcomer-Unternehmen gibt es auf diesem Gebiet? Im Folgenden, ein Update zu einige Neuigkeiten und aktuelle Entwicklungen zum Thema Mikrobiom in der Onkologie.

Was ist das Mikrobiom und wie hängt es mit Krebs und Krebsbehandlung zusammen?

Das Mikrobiom setzt sich aus einer Vielzahl von Mikroorganismen zusammen, darunter Bakterien, Viren und Pilze. Diese interagieren sowohl untereinander als auch mit dem menschlichen Körper. Sie erfüllen eine Vielzahl von Funktionen, die von der Verdauung bis zur Regulierung unseres Immunsystems und Hormonsystems reichen. Vor einigen Jahrzehnten wurde erstmals die Hypothese aufgestellt, dass pathogene Bakterien an der Entstehung bestimmter Krebsarten beteiligt sein könnten. Als Beispiel sei hier Helicobacter pylori genannt, der mit Magenkrebs in Verbindung gebracht wird. In jüngerer Zeit haben Sequenzierungsplattformen der nächsten Generation, „Omics”-Technologien und fortschrittliche Bioinformatikansätze die Untersuchung des Mikrobioms erleichtert, sodass die Wissenschaftler entdeckten, dass auch „kommensale” Mikroorganismen bei Krebserkrankungen eine Rolle spielen können. Im Rahmen der Untersuchung wird nicht das Vorhandensein oder Fehlen eines bestimmten Begleitbakteriums evaluiert, sondern das Verhältnis zwischen den verschiedenen Mikroorganismen. Letzteres stellt einen wichtigen Faktor für die Funktionalität des Körpers dar. Ein unausgewogenes Mikrobiom, das als Dysbiose bezeichnet wird, ist für das Auftreten bestimmter Pathologien, insbesondere Krebs, verantwortlich.

Wer sind die neuen Akteure im Bereich Mikrobiom und Krebstherapien?

Firmen aus Asien haben sich in das Rennen um die Entwicklung einer Kombinationstherapie aus Mikrobiom und Anti-PD-L1-Antikörpern eingeschaltet. Im April 2020 wurde dem südkoreanischen Biotech-Unternehmen Genome & Company die FDA-Zulassung für GEN-001 erteilt, einem oralen Mikrobiom-Therapiekandidaten, der in präklinischen Studien eine verstärkende Wirkung auf den Checkpoint-Inhibitor Avelumab (BAVENCIO®) gezeigt hat.

Der Einfluss von Bakterien auf die Wirksamkeit von Immun-Checkpoint-Inhibitoren stellt eine der vielversprechendsten Anwendungen der Mikrobiom- und Krebsforschung dar. In Konkurrenz zu Vedanta Biosciences tritt Genome & Company mit seinem Produkt VE800, welches im Dezember 2019 in eine klinische Studie in Verbindung mit dem PD-1-Checkpoint-Inhibitor Nivolumab von Bristol-Myers Squibb eintreten wird.

Welche neuen therapeutischen Strategien werden untersucht?

Im November 2019 gab Enterome eine Zusammenarbeit mit dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSK) in New York City bekannt, mit dem Ziel, das Potenzial von aus dem Darmmikrobiom stammenden Antigenen für die Entwicklung von Krebsimmuntherapien zu erforschen. Das französische Unternehmen Enterome entwickelt aus Bakterien gewonnene kurze Peptide mit hoher Sequenzhomologie zu bekannten tumorassoziierten Antigenen, tumorspezifischen Antigenen oder Neoantigenen. Die genannten Antigene werden eingesetzt, um eine tumorspezifische T-Zell-Immunantwort gegen die Zellen auszulösen, welche die homologen Antigene exprimieren. Auf der Grundlage des „molekularen Mimikry”-Ansatzes hat Enterome EO2401 entwickelt, seinen ersten onko-mimischen Wirkstoff, der sich aus mehreren aus dem Darmmikrobiom stammenden Antigenen zusammensetzt. Zudem wurde eine klinische Studie initiiert, um die Sicherheit und Wirksamkeit des Wirkstoffs bei Patienten mit progressivem Glioblastom zu untersuchen. Die Rekrutierung der Studienteilnehmer ist für Juli 2020 vorgesehen.

Werden auch nicht-therapeutische Anwendungen in Betracht gezogen?

Die Antwort lautet: Ja! Die Untersuchung des Mikrobioms erlaubt die Identifizierung von Risikofaktoren. In einer aktuellen Studie haben amerikanische Forscher der Mayo Clinic den Zusammenhang zwischen dem vaginalen und uterinen Mikrobiom und den Risikofaktoren für die Entwicklung von Gebärmutterkrebs (Endometrial Cancer, EC) untersucht. In einer ersten Veröffentlichung konnten die Forscher eine vaginale und uterine mikrobiotische Signatur identifizieren, die mit Gebärmutterkrebs in Verbindung gebracht wird. Diese Signatur wird von ihnen als ECbiome bezeichnet. Das ECbiome kann als prädiktiver Marker für die Diagnose von Krebs bei Hochrisikopatientinnen dienen, bei denen noch keine Symptome vorliegen. In einer zweiten Studie konnten die Forscher die Elemente identifizieren, die für eine solche Störung des Mikrobioms verantwortlich sein könnten. Das Ziel der Studie war es, das Vorhandensein der mikrobiotischen Signatur, das ECbiome, mit bekannten Risikofaktoren für Gebärmutterkrebs zu korrelieren. Die Identifizierung potenzieller Risikofaktoren erfolgte durch die Forscher hinsichtlich Adipositas, postmenopausalen Status sowie vaginalen pH-Wert.


Erfahren Sie, wie wir Sie bei Ihren Projekten im Zusammenhang mit dem Mikrobiom begleiten können >


Was sind weitere zukünftige Entwicklungsrichtungen für die Mikrobiom- und Krebsforschung?

Wie bereits erwähnt, investieren Pharmaunternehmen in diesen Bereich, und es gibt eine steigende Anzahl von Start-ups. Auch Akademiker und öffentliche Einrichtungen engagieren sich zunehmend in diesem Forschungsgebiet.

Im vergangenen Juni wurde auf Initiative des Institut Gustave Roussy, eines führenden europäischen Krebszentrums, das erste Konsortium für Mikrobiom- und Krebsforschung, „Oncobiome“, ins Leben gerufen. Dem Konsortium gehören 16 internationale Partner, Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen an. Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung neuer Diagnoseinstrumente sowie die Nutzbarmachung des Darmmikrobioms für Prophylaxe-Maßnahmen gegen Brust-, Lungen-, Darm- und Hautkrebs. Im Rahmen der Studie werden die Forscher über einen Zeitraum von fünf Jahren Daten von 9.000 europäischen Patienten analysieren, um mögliche Zusammenhänge zwischen Veränderungen der Mikrobiota und dem Auftreten, der Prognose oder der Therapieresistenz dieser Krebsarten zu ermitteln bzw. zu bestätigen.

Validierte Fingerabdrücke des krebsassoziierten Darmmikrobioms könnten daher in den kommenden Jahren Teil des onkologischen Arsenals für die Prävention, Vorhersage und Personalisierung der Krebstherapie werden. Alcimed wird Sie über die Fortschritte in diesem vielversprechenden Forschungsgebiet auf dem Laufenden halten. Interessieren Sie sich für dieses Thema? Zögern Sie nicht, unser Team zu kontaktieren.


Über den Autor, 

Volker, Great Explorer Oncology in Alcimeds Life Sciences Team in Deutschland

Sie haben ein Projekt?

    Erzählen Sie uns von Ihrem unerforschten Gebiet

    Sie haben ein Projekt und möchten es mit unseren Entdeckern besprechen? Schreiben Sie uns!

    Ein Mitglied unseres Teams wird sich in Kürze mit Ihnen in Verbindung setzen.


    Weiterführende Informationen